Newsletter 1/ 2024 – Wissenschaft braucht einen langen Atem
Heute möchten wir Ihnen wieder Neues aus der Welt der MS-Forschung berichten.
Einerseits wollen wir Sie über die weitere Entwicklung der MS TWIN STUDY informieren und dann über ein Projekt, das aktuell am Institut für Klinische Neuroimmunologie am Klinikum Großhadern München und dem Biomedizinischen Institut in Martinsried bei München initiiert wurde.
Seit Jahren berichten wir Ihnen über die inzwischen weltweit einzigartige MS TWIN STUDY, bei der eineiige, also genetisch identische Zwillinge untersucht werden, von den ein Geschwister MS-krank ist und das andere Geschwister mindestens bei der Erstvorstellung subjektiv gesund war und sich medizinisch keinerlei Hinweise auf eine MS zeigten. Aktuell ist die Untersuchungskohorte weiter angestiegen auf inzwischen stolze 99 Zwillingspaare.
Als eines der vielen Ergebnisse, über die wir Sie partiell unterrichtet hatten, dieser seit nunmehr 10 Jahren laufenden Studie, hatten wir Ihnen im vorigen Jahr berichtet, dass die Hinweise dieser Studie auf einen Unterschied der der Darmflora zwischen Kranken und Gesunden nunmehr in einer weltweit angelegten Untersuchung hieb- und stichfest bewiesen werden konnte.
Es stellt sich nun die Frage, ob diese Unterschiede der Bakterienbesiedlung des Darmes zwischen den MS Erkrankten und gesunden Kontrollpersonen auf Unterschieden wie der Ernährungs- und Lebensweise beruhen könnten. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es gar nicht einfach ist, den Einfluss der Ernährungsgewohnheiten auf körperliche bzw. gesundheitliche Faktoren zu ermitteln.
In einer ersten Pilotstudie wurde bei den Zwillingen die aktuelle Ernährung über einen Zeitraum von 4 Wochen abgefragt. Dabei zeigte sich einerseits, dass in vielen Bereichen die Ernährungsgewohnheiten innerhalb der einzelnen Zwillingspaare sehr ähnlich ist. Zum Beispiel werden Obst, Gemüse, Nüsse sowie pflanzliche Öle ungefähr gleich oft gegessen, und bei Backwaren hauptsächlich Vollkornbrot bevorzugt. Andererseits zeigten sich aber auch einige Unterschiede. So ist die Konsumhäufigkeit von Kartoffeln, Graubrot/Mischbrot und Hülsenfrüchten bei MS-Betroffenen etwas geringer als bei den nicht an MS erkrankten Zwillingen. Auch beim Konsum von Süßigkeiten und alkoholischen Getränken gab es Unterschiede.
In Zukunft möchten wir diese ersten vielversprechenden Daten weiter analysieren und möglichst vertiefen. Dies ist sehr wichtig für unsere fortlaufenden Untersuchungen über die Darmbakterien. Zum anderen können sich aus diesen Analysen Empfehlungen für die optimale Ernährung von MS-Betroffenen ergeben. Die Untersuchungen mit der Zwillingskohorte werden selbstverständlich fortgesetzt.
Bei einem neuen Projekt am Institut für Klinische Neuroimmunologie, LMU München soll ein Bildgebendes Monitoring die progrediente Verlaufsform der Multiplen Sklerose untersuchen.
In diesem Projekt möchten wir neuartige PET (Positronen Emissionstomographie) Tracer nutzen, um die Progression der Nervenzellschädigung bei der Multiplen Sklerose besser darstellen zu können. Dieser Ansatz beruht auf Vorarbeiten des eigenen Instituts, die 2021 publiziert wurden. Hierbei wurde sowohl bei MS Patienten als auch in MS Modellen gezeigt, dass es in der grauen Substanz zu einem erheblichen Synapsenverlust kommt. (Synapsen sind die Schaltstellen, über die Nervenzellen miteinander kommunizieren). In Zusammenarbeit mit der Klinik für Nuklearmedizin der LMU möchten wir diesen Synapsenverlust jetzt mit Hilfe eines nuklearmedizinischen „Synapsen-Tracers“ bildgebend sowohl in MS Modellen als auch in MS Patienten darstellen. Um zu überprüfen, ob dieser Ansatzes richtig ist, soll die Angriffspunkt des Tracers, ein bestimmtes Protein der Synapse (das synaptischen Proteins SV2A) in den für die progressive Form der MS typischerweise befallenen grauen Substanz des Gehirns untersucht werden (in Zusammenarbeit mit dem Department of Pathology der Universität Genf). Dabei soll zunächst mit einer kleineren „Proof-of-concept“ Studie dieser Ansatz experimentell validiert werden, um die Durchführbarkeit bei MS Betroffenen zu belegen. Wenn diese Studie erfolgreich ist, planen wir eine systematische Studie mit einer größeren Zahl an Studienteilnehmern.